Taijiquan – Eine Kampfkunst?

Chinesische-Kampf-Szene

Taijiquan ist eine Weiterentwicklung aus den so genannt äusseren Chinesischen Kampfsportarten, also aus dem Kung-Fu. Viele der alten Taiji-Meister waren auch ausgezeichnete Kämpfer. Ist deshalb Taijiquan ein Kampfsport?

Wir üben immer wieder anhand von Muskeltests die Prinzipien des Inneren Taiji. Das heisst, eine Figur aus der Form wird auf seine energetische Effizienz hin geprüft in der Anwendung. Wichtig dabei sind die Intention Yi, das Leiten des Qi und natürlich die korrekte Aufstellung des Körpers um dies auch zu ermöglichen. Man spricht dann unter anderem vom ‘Gegner weg-pushen’ oder ‘einen Angreifer abwehren’. Aber würde das ausreichen für eine reelle Selbstverteidigung wenn man wirklich angegriffen wird?

Es gibt viele Geschichten und Legenden von alten Meistern, die Leute einfach an sich abprallen lassen konnten. Angreifer flogen durch die Luft ohne grosse Anstrengung. Das tönt verlockend und vielleicht kann man durch jahrzehntelanges Üben diese Meisterschaft erreichen. Für mich persönlich hat Taiji aber unterdessen eine andere Bedeutung.

Wie jeder andere Mensch habe auch ich viele Ängste und Widerstände aufgebaut im Verlauf meines bisherigen Lebens. Diese gilt es aufzulösen, denn ich bin überzeugt, dass ohne diese antrainierten Hürden ein Leben möglich ist, so wie wir es uns wünschen. Wir haben immer eine Wahl. Und wenn nicht, können wir uns entscheiden unsere Einstellung zu ändern. Genau dabei hilft das Taiji enorm.

Sehr anschaulich vermitteln uns die Tests im Taijiunterricht, dass Widerstand und willkürlich eingesetzte Kraft unnötig energieraubend sind. Das Ziel ist es nicht den Gegner weg zu kriegen in dem man ihn oder sie wegschubst. Das Ziel ist immer die innere Harmonie, der innere Frieden mit sich selbst. Durch die korrekte Aufstellung, durch das Aufbauen des inneren Energiekreislaufs und mit Hilfe der richtigen Atmung kann JIN Kraft entstehen. JIN entwurzelt den Gegner quasi von selbst, ein forcierter Einsatz von Muskelkraft ist nicht nötig und verhindert gar die Entstehung von JIN. Das Wegkriegen des Gegners ist demnach nur ein Nebenprodukt der eigentlichen Arbeit. Meiner Meinung nach ist das die wertvollste Erfahrung des Taiji überhaupt.

Das geübte chinesische Prinzip des ‘Wu Wei’, also des absichtslosen Tuns, hilft uns unsere ureigenen Ängste und Widerstände abzubauen indem wir lernen, Dinge einfach geschehen zu lassen und unserer Kraft zu vertrauen; eine Kraft die in jedem von uns existiert. So gesehen ist Taijiquan also doch eine Kampfkunst: sie hilft uns den Kampf, den wir gegen uns selbst führen, zu beenden. Taiji ist die Kunst des Nichtkämpfens.

Ich kämpfe zuweilen immer noch gegen mich selbst. Also übe ich weiter Taiji :-)